Haben wir aus den Hochwasserkatastrophen gelernt?

Haben wir aus den Hochwasserkatastrophen gelernt, und wenn ja was und was sind die Konsequenzen?

Der Begriff "Jahrhunderthochwasser" kennzeichnet nicht die Häufigkeit bzw. Seltenheit eines Ereignisses, sondern die Außergewöhnlichkeit des Ausmaßes hinsichtlich maximaler Wassermassen, Strömungen oder dadurch entstandener Zerstörungen. Das bedeutet, dass aufgrund zunehmender Häufigkeit von Extremwetter-Ereignissen auch mehrere "Jahrhunderthochwasser" in dichter zeitlicher Abfolge auftreten können [1].
Solch eine Jahrhundertflut kann Deutschland jederzeit wieder treffen, wo auch immer [2]

Beim Jahrhunderthochwasser am 14.07.2021 im Ahrtal lag dessen Ursache in einem mehrtägigen Starkregen mit der mehrfachen Durchschnitts-Jahresregenmenge [1].
Zum jetzigen dortigen Hochwasserschutzkonzept gehört es, der Ahr mehr Raum zu geben
und Abflusshindernisse zu beseitigen. Der Wiederaufbau von Gebäuden an sämtlichen flussnahen Bereichen ist an besonders gefährdeten Stellen unzulässig.

Nach Prof. Dr. Dr. Wolfgang Büchs gab schon vor 100  Jahren Hochwasserschutzpläne, ein ausgeklügeltes System von Hochwasserrückhalteflächen, Hochwasserschutzbecken und sogar Pläne, Stauseen zu bauen. Dies wurde aber nie verwirklicht, sondern stattdessen der Nürburgring gebaut [1].

Verbesserungen und die Einführung eines qualifizierten Hochwasserschutzkonzepts, eines qualifizierten Katastrophenschutzes, sowie besonderen Maßnahmen beim Bauen sind nach den Ereignissen logische Konsequenzen.
Ein weiterer starker Mangel war der teilweise Zusammenbruch der behördlichen Kommunikation (Notrufsystem und digitaler Rettungsfunk). Dies resultierte in der Abhängigkeit staatlicher Kommunikation von der Telekom, so sei der Digitalfunks zusammengebrochen durch Ausfall von 34 Telekom-Basisstationen als Folge von Überflutung in Rheinland-Pfalz [2].

Der Behauptung einiger Politiker, die Katastrophe sei unvorhersehbar gewesen widerspricht
Prof. Hannah Cloke, Hydrologin, University of Reading. Es gab mehrere Tage vor der Flut die Vorhersage eines ernsten Ereignisses verbunden mit dementsprechenden Warnungen [2].
Fakt ist das Fehlen eines Aufgaben entsprechenden Hochwasserrisikomanagements [2].
Prof. Dr. Dr. Wolfgang Büchs (Biologe) erklärte hierzu, dass der nordrhein-westfälische Teil der Ahr im Quellgebiet, also im Hochwasserentstehungsgebiet liege und dies ganz dringend in das Konzept hinein gezogen werden müsse [2].

Hochwasserschutz muss also in allen Fällen länderübergreifend geplant und umgesetzt werden.

In Sachsen gab es 2002 die erste Jahrhundertflut des Jahrtausends. Die rote Weisseritz ist am 12./13.8.2002 stark angestiegen. Neben der Weisseritz in Schmiedeberg gibt es in Sachsen 102 weitere Gewässer 1. Ordnung in Sachsen [2].
In Schmiedeberg fließt der Pöbelbach in die rote Weisseritz, im Normalfall ein unscheinbarer Rinnsal. Es wurde vor dem Ort ein Rückhaltebecken mit einem riesigen Damm errichtet, Kosten 51 Mio €.
So kann durch Schließung der Tore eine Wassermenge von 1,2 Mio m³ zurückgehalten werden [2]. Nutzbar ist dies nur für den Extremfall und stellt eine Versicherung dar.
Zusätzlich ist das Flussbett der Weisseritz auf etwa 8 m verbreitert worden, ist nun also wesentlich breiter als zu Zeiten des Hochwassers [2]. Der Fluss hat insgesamt mehr Raum beim Ortsdurchfluss erhalten und zusätzlich befestigte Ufer bekommen. 
Die Lehre aus der Hochwasserkatastrophe in Sachsen: Hochwasserschutz kostet sehr viel Zeit und sehr viel Geld [2].

Tagelanger Starkregen kann praktisch jeden Ort des Landes heimsuchen [2]. In Verbindung mit einer vorangegangenen Hitze- und Dürreperiode können Böden kaum noch Regen aufnehmen und erst recht nicht bei extrem starkem Niederschlag.

Was ist bezüglich Hochwasserschutz in Niedersachsen passiert?

Aus meiner Sicht zu wenig, so dass sich ein Starkregenereignis im Umfang eines Jahrhundertereignisses katastrophal auswirken könnte.
Es müssen Flüsse entgradigt, also deren Verläufe renaturiert, und zusätzlich weitere Überflutungsflächen geschaffen werden. Darüber hinaus kann ein Großteil des Niederschlages durch Waldflächen aufgenommen werden. Daher ist die Verwaldung von reinen Forsten ein weiterer Baustein eines geeigneten Hochwasserschutzkonzeptes.
Eine Renaturierung des Flussverlaufes ist teilweise bereits im Verlauf der Schunter bei Braunschweig in der Umsetzungsphase. Bei Oker, Leine, Aller und weiteren Flüssen fehlt es noch in umfänglicher Form.
Hochwasserschutz jetzt ist besser als Wiederaufbau, deswegen plädiere ich für einen umfänglichen Hochwasserschutz.
Alarmierungssysteme müssen nicht nur digitalisiert, sondern auch netzunabhängig erneuert und verbessert werden. Katastrophenschutz muss ernstgenommen und immer wieder geprobt werden.

Quellen:
[1]   ZDF Frontal; Sendung vom 05.0.7.2022, auf zdf-mediathek verfügbar bis 07.2023
[2]   frontal spezial: Die Flutkatastrophe - Was passiert, wenn es wieder passiert? (Sendung
        vom 05.07.2022)