75 Jahre Grundgesetz

Am 23.Mai 2024 hat Bundespräsident Frank Walter Steinmeier während des Festaktes zum 75. Jahrestages des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in Berlin gehalten. [1] 

Steinmeiers Ausführungen entnommen ist:
[er ist] „fest davon überzeugt, diese Verfassung gehört zu dem Besten, das Deutschland hervorgebracht hat.“   [...]
Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dieser Satz, [...] ist kategorischer Imperativ unserer Verfassungsordnung, er ist moralische Selbstverpflichtung zugleich. [...]
Das Grundgesetz garantiert Freiheit und es erwartet Verantwortung." [1] 

„Das Grundgesetz und die friedliche Revolution, sie haben die zweite deutsche Demokratie, [...] sie haben uns zu dem gemacht, was wir heute sind." [1] 

„Wir leben in so etwas wie einer neuen Unübersichtlichkeit: Pandemie, Inflation, Wirtschaftskrise, die Folgen des Klimawandels, der Terror der Hamas, der Krieg im Nahen Osten, die humanitäre Katastrophe dort, eine Krise folgt auf die nächste." [1] 

„Wir müssen die Werte verteidigen [...], die uns im Kern ausmachen, die dürfen nicht zur Disposition stehen. Aber wir müssen unsere Ziele schaffen, anpassen an die neuen Herausforderungen." [1] 

(Es braucht) „eine starke Gesellschaft, die um den Wert der Freiheit weiß und die bereit ist, Bedrohungen der Freiheit entgegen zu treten, mehr Investitionen in Sicherheit in wirtschaftlich schweren Zeiten. 
Kann unser Land die Kraftanstrengungen leisten, zusätzlich zu den riesigen Aufgaben, die Klimawandel, soziale Sicherung, Wirtschaftskrise uns stellen? Kann unsere Gesellschaft die Konflikte bestehen, bewältigen, die daraus entstehen?" [1] 

„Der Kampf um finanzielle Ressourcen wird härter werden und damit natürlich auch der Streit um das, was wichtig ist.
Und gerade jetzt [...], wo wir unsere Demokratie dringend brauchen, wo [...] allein die Demokratie, Streit friedlich beilegen kann, weil [...] die Demokratie offen ist für Kompromiss und Veränderung, gerade jetzt gerät unsere Demokratie selbst unter Druck.
[...] Und verständlich machen müssen wir auch, warum wir im Kampf gegen den Klimawandel nicht nachlassen dürfen, verständlich machen, warum wir die Arbeit in Deutschland zunehmend weniger allein bewältigen und [...] warum Europa, die Europäische Union, [...] so unendlich wichtig ist." [1] 


In der bereits zitierten Videoeinspielung hatten zuvor Persönlichkeiten einzelne Artikel des Grundgesetzes vorgetragen [1], darunter, aus meiner Sicht besonders bewegend, auch Margot Friedländer, Überlebende des Holocaust, mit Vortrag von Artikel 1 "Die Würde des Menschen ist unantastbar." [2] 


Dem Grundgesetz liegen auch wesentliche Züge der Philosophie Immanuel Kants zugrunde. So sei nach Kant, basierend auf Thesen Rousseaus, "die Autonomie des Menschen, die Fähigkeit, sich selbst ein Gesetz zu geben, auf der seine² besondere Würde beruht." [3] 
² (des Menschen)

Hierbei ist auch die Rede vom „Wert des Menschen", der sich nicht an seiner Bildung oder seiner gesellschaftlichen Stellung orientiert, sondern an seiner Existenz an sich.  [3] 

Aus dem Satz: der Wille ist in allen Handlungen sich selbst ein Gesetz, lässt sich das Prinzip, nach keiner anderen Maxime zu handeln, aus der sich nicht auch ein allgemeines Gesetz ableiten ließe. Letztlich ist dies die Formel des kategorischen Imperativ und das Prinzip der Sittlichkeit. [3] 

„Auf der kantischen Einsicht in die Würde und Autonomie des Menschen führt ein direkter Weg in unsere Gegenwart, nämlich zum Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar." [3] 


Den von mir ausgeführten Thesen zum Trialismus, der Notwendigkeit einer gleichzeitigen Verwirklichung von nachhaltiger Ökonomie, Sozialer Gerechtigkeit und unbedingter Ökologie (Biodiversität, Klimaschutz und Umweltschutz) und der Dimensionalisierung von Ethik und Sichtweisen [4] nach, muss unter Berücksichtigung der zeitlichen Dimension (Generationsgerechtigkeit, Art. 20a GG [2]) der Schutz der Menschenwürde auch auf die Zukunft ausgedehnt werden
Die bedeutet: Wir müssen die Welt so erhalten, dass auch zukünftigen Generationen ein gutes Leben möglich sein wird.

Darüber hinaus muss auch in globaler Dimension ein Gerechtigkeitsausgleich geschaffen werden. Denn die Würde des Menschen muss auch für Menschen anderer Länder gelten. Dies zu erreichen, muss als Staatsräson Deutschlands begriffen werden. 
Staatlicher Auftrag muss zukünftig auch die Herstellung von Generationsgerechtigkeit und von globaler Gerechtigkeit werden, und dies in viel stärkerem Maße als bisher.

Aus meiner Sicht kann nur so Gerechtigkeit voll umfänglich, also generationsübergreifend und global erreicht werden.
Diese Gerechtigkeit ist unbedingte Voraussetzung einer dauerhaften Weltfriedensordnung.
So hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass nur ein gerechter Frieden von Dauer ist. Hierbei sind immer beide Seiten zu  berücksichtigen, was nicht heißt, dass dies durch mathematische Mittelung geschehen muss. Eine sittliche und moralische Wertung ist immer Voraussetzung einer Wichtung mit der Absicht, Gerechtigkeit zu erreichen. 

Nur unter der Voraussetzung globaler Gerechtigkeit im Umgang aller Staaten miteinander sind Gerechtigkeit und Frieden erreichbar. Auch wenn dies noch lange nicht erreicht ist, muss besonders Angesicht der gegenwärtigen Krisen umgehend begonnen und kontinuierlich umgesetzt werden.

Der Erweiterung des durch das Grundgesetzt gewährten Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere (Art. 20a GG) muss in viel stärkerem Maße als bisher wahrgenommen werden, so dass verlagerte Produktionen in andere Teile der Welt dem auch unterliegen und auch Importe, die ins BIP einfließen, dem genügen müssen.
Auch Pflanzen natürlicher Lebensräume und Biosphären müssen in erhöhtem Maß geschützt werden.
Das Überleben der Menschheit in globaler wie zeitlicher Dimension lässt sich nur durch gleichzeitigen Klimaschutz und den Erhalt von Biodiversität erreichen.

So fließen aus meiner Sicht sowohl wesentliche Elemente des Grundgesetzes als auch die Philosophie Kants in eine ethisch begründete, politisch und ökonomisch umsetzbare Überlebensstrategie für die Menschheit ein.

Quellen / Verweise:
[1]   Der Bundespräsident: Festakt und Rede zum 75. Geburtstag; 23.5.2024
[2]   Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
[3]   Markus Willaschek: KANT - Die Revolution des Denkens; C. H. Beck 2023
[4]   Programm für die Legislatur 2021-2025; Andreas Wolter / Demokratie fair und direkt;
       September 2021