Wohlstand ohne Wachstum - eine Zukunftsperspektive [1]

Im folgendem entwickle ich auf dem zuvor aufgeführten eine Zukunftsperspektive einer Ökonomie ohne Wachstumszwang auf.

Die Frankfurter Rundschau fasst das Buch wie folgt zusammen: „Wie eine ‚Postwachstumsökonomie‘ genau aussehen soll, das wisse er [Tim Jackson] auch nicht genau, gibt der Brite zu. Doch er nennt Schritte, die die westlichen Industrienationen gehen sollten: Zunächst müsse man ‚einen sinnvollen Wohlstandsbegriff definieren‘, der nicht auf Wachstum basiere. Daneben brauche es verstärkte Investitionen in nachhaltige Technologien und in öffentliche Güter sowie vermehrte Produktion nicht-materieller Dienstleistungen anstelle von Gütern. Zentral sei auch die Reduktion der Arbeitszeit, um die Produktion einzuschränken. Damit dies nicht zu vermehrter Arbeitslosigkeit führt, empfiehlt Jackson eine radikale Umverteilung der Arbeit.“ [1] 

Hier füge ich eine vergleichende Betrachtung der verschiedenen Möglichkeiten der politischen Umsetzung einer solchen Ökonomie ohne Wachstumszwang an. Dies hat besondere Bedeutung für den globalen Aspekt von Politik.

Grundsätzlich ist zwischen den Möglichkeiten verschiedener Staatsformen unterschieden werden, so zwischen einer Orientierung am Gemeinwohl im Gegensatz zu einer Orientierung am Eigennutzen (nach Aristoteles) und unter modernerer Sichtweise
(nach Kant) unterschieden nach Form der Regierung republikanisch oder despotisch.
Die republikanischen Formen reichen von einer Konstitutionellen Monarchie bis zum demokratischen Verfassungsstaat.
Zur despotischen Form gehören sowohl Absolute Monarchie wie auch Oligarchie. 
Weiterhin gibt es noch Einparteiensysteme und die Theokratie.

In autokratischen Systemen, also von einem oder wenigen gelenkten Systemen ist jede mögliche Orientierung durch Gesetzgebund oder Erlasse schneller umsetzbar, jedoch fehlt jede Form von Kontrolle.
Anders bedingen demokratische Systeme regelmäßiger Bestätigung des Erfolgs ihres Handelns durch Wahlen. Gunst oder Ablehnung durch die Wähler wirkt hier als Korrektiv.
Praktisches Handeln und Gesetzgebung bedürfen Erklärung und Zustimmung durch das Wahlvolk. Der Kompromiss auf dem Weg politischer Zielerreichung stellt einen wenn nicht den entscheidenden Schritt auf dem Weg zum Erfolg dar. Zusätzlich ist die Akzeptanz der Mehrheit des Wahlvolkes notwendig zur dauerhaften Legitimation von diesbezüglich definierter Politik.

Die Erkenntnis von Realität und der auf dieser basierenden Schlussfolgerung „richtigen Handelns einer oder mehrerer gewählter und koalierender Parteien, Gruppen oder von Staatenbünden muss in vorhersehbar akzeptabler Form von Regieren und Gesetzgebung vermittelt werden. Hierzu gehören gleichermaßen Erklärung von Sinnhaftigkeit und ggf. notwendigen Zumutungen. Auch gehört ein hohes Maß an Gerechtigkeit hinsichtlich der Verteilung von Belastungen und Zumutungen, ersatzweise auch die Gewährung von Entlastungen. Dies gilt umso mehr bei längerfristigen Vorhaben übergreifender gesellschaftlicher und staatlicher Bedeutung.

Angesicht vorhersehbarer Schwierigkeiten und möglicher damit verbundener Gefahren des Erreichens und Überschreitens von Kipppunkten mit Unvorhersehbarkeiten und Risiken stellt die Perspektive möglicher Entbehrungen eine bessere Kommunikation im Werben um Vertrauen und Zustimmung dar als ein Spiel mit Ängsten oder ein bewusstes oder unbewusstes Vortäuschen unrealistischer Szenarien. Hierzu zählt auch das Ignorieren unbezweifelbarer, da wissenschaftlich belegter Tatsachen.

Es dürfte unbezweifelbar sein, dass unendliches Wachstum auf einer begrenzten Oberfläche unmöglich ist
Was Alternativen zum Wachstums-Dogma darstellt, darüber besteht keine Einigkeit.
Einige sprechen von „grünem Wachstum“ oder von „nachhaltigem Wachstum“ als Alternative; jedoch stellen dies nur Verzögerungen dar, da auch hierbei auf Wachstum gesetzt wird.
Inwieweit bei „nachhaltigem Wachstum“ das Kriterium von Nachhaltigkeit erfüllt werden kann, erschließt sich mir nicht, da der physikalisch-mathematischen Logik nach Wachstum ein gleichzeitiges Schrumpfen an anderer Stelle ausgleichend entgegengesetzt werden muss. Dies bedingt sich durch das mathematische Gesetz des logistischen Wachstums mit definierter Obergrenze.

Ich fordere ein System, das sowohl Wachstum als auch Schrumpfung als zulässige Veränderungen innerhalb eines Gesamtsystems zulässt.
Bisher wird Schrumpfung als negativ stigmatisiert und mit diesem mit verschiedenen Mitteln der Finanzwirtschaft entgegengewirkt. 
Notwendig aber ist, den Mehrwert als ausschlaggebend zu werten und die Notwendigkeit steuernder Maßnahmen der Finanzwirtschaft auf die Einhaltung eines Mindestabstands zur kritischen Obergrenze zu beschränken.

Der Mehrwert auf volkswirtschaftlicher Eben kann und sollte meiner Beurteilung nach unterteilt werden in
 + „Wertmehrung"/„wertmehrendes Wachstum“ 
 + „Werterhaltung“/ „Bestandserhalt“
 + „Werttransformation"/„wertsteigernde wachstumsneutrale Transformation“ 

Die einzelnen Begriffe des Mehrwertes im Rahmen eines Wohlstands ohne Wachstumszwang werden später erläutert.

Es ergibt sich zwangsläufig die Neubestimmung der Ermittlung für volkswirtschaftlich signifikante Kenngrößen wie Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Pro-Kopf-BIP.

Das nominale BIP gibt die Summe der inländischen Wertschöpfung in aktuellen Marktpreisen an. Dadurch ist das BIP abhängig von Veränderungen des Preisindex der betrachteten Volkswirtschaft. Das nominale BIP steigt bei Inflation und daraus folgenden steigenden Marktpreisen. Umgekehrt sinkt das nominale BIP bei Deflation und daraus folgenden sinkenden Marktpreisen. So führt eine Inflationsrate von zum Beispiel fünf Prozent bei gleich bleibender Güterproduktion zu einem nominalen BIP-Anstieg von ebenfalls fünf Prozent.[2]  

Um das BIP unabhängig von Veränderungen der Preise betrachten zu können, verwendet man das reale BIP, in dem alle Waren und Dienstleistungen zu den Preisen eines Basisjahres bewertet werden (BIP zu konstanten Preisen). In Deutschland verwendet das Statistische Bundesamt seit 2005 Kettenindizes.[2]  

Die bestimmenden Kenngrößen des BIP sind unterschieden nach Verwendungsrechnung und Verteilungsrechnung.[2] 

Bei der Verwendungsrechnung erfolgt die Berechnung anhand der Nachfrageseite, bestimmt durch die Verwendung für Waren und Dienstleistungen. Zusammengesetzt lassen sich die Komponenten der Verwendungsrechnung erkennen: 
Private Konsumausgaben (größter Anteil), Konsumausgaben des Staates,
Bruttoinvestitionen und Außenbeitrag (Exporte − Importe). [2] 

Bei der Verteilungsrechnung wird das BIP anhand des entstandenen Einkommens gemessen. Die Aufteilung erfolgt anhand des Volkseinkommens und setzt sich zusammen aus:
Volkseinkommen (Arbeitnehmerentgelt + Unternehmens- und Vermögenseinkommen), 
Bruttonationaleinkommen (Produktions- und Importabgaben an den Staat abzüglich Subventionen + Abschreibungen) und dem Bruttoinlandsprodukt (Saldo der Primäreinkommen aus der übrigen Welt).[2] 

Kurz zusammengefasst ist eine Schlussfolgerung:
Je höher der Private Konsum ist, desto höher ist das BIP
Dieses Fazit steht der Policy einer nachhaltigen Ökonomie und Gesellschaft entgegen und erscheint somit unvereinbar.

Eine weitere Schlussfolgerung basiert auf der Abschreibung, also dem Wertverlust von Produktionsmitteln und Gebrauchsgegenständen. Dieser geht positiv in das BIP ein:
Je höher die Abschreibung, desto größer das BIP!
Kürzere Abschreibungen und ein schnellerer Wertverlust von Produktionsmitteln und Gebrauchsgegenständen stehen ebenfalls einer nachhaltigen Ökonomie entgegen.

Ein Nebeneffekt ist, dass ein durch höhere Quote hochwertiger Produkte zwar das BIP steigt, sich aber die Verteilung innerhalb des Volkseinkommens verschiebt. So sinkt relativ der Anteil durch das Arbeitnehmerentgelt, zugleich steigt der Anteil von Unternehmens- und Vermögenseinkommen.
In Konsequenz führt dies kurzfristig zu einem stärkeren Anstieg von Investment-Anteilen und kann dies langfristig zu einer Umverteilung bzw. stärkeren Auseinanderklaffens zwischen „Arm und Reich“ führen. Im Falle einer grundsätzlichen Wachstumsorientierung ist dies gewollt und führt idealerweise zu weiteren Investitionen von Unternehmen.

Wenn zugleich auch noch die Staatsquote gering gehalten wird und Investitionen zur Verbesserung der volkswirtschaftlichen Situation unterbleiben, wird diese Entwicklung durch andere, in diesem Falle die jüngere Generation zukünftiger Arbeitnehmer und Rentner bezahlt und zwar irgendwann in „ferner“ Zukunft, jedenfalls außerhalb des Verantwortungsbereiches dies bestimmt habender Politik.

Jackson erarbeitet zwei Gruppen von Industrienationen heraus:
die liberalen Marktwirtschaften und die koordinierten Marktwirtschaften.
Von ihm kommt Widerspruch zur These, die Finanzkrise 2008 hatte ihre Hauptursache in sogenannten toxischen Krediten und Kreditprodukten. Ursache waren seiner Ansicht nach alle Maßnahmen, die das Wachstum der Wirtschaft stimulieren sollten. Vor allem sei dies der Ausbau der Schulden nach den Grundsätzen des keynesianischen Monetarismus und ohne Berücksichtigung der Begrenztheit der materiellen Welt in ökologischer Hinsicht.[3]

Mit dem Ziel, „Wohlstand neu definieren“ möchte Jackson eine Definition für Wohlstand finden und dessen Zusammenhang mit Glück. Dies orientiert sich ihm nach vor allem an den Thesen des indischen Wirtschaftswissenschaftlers und Philosophen Amartya Sen in seinem Essay „Lebensstandard“ von 1984 mit den Elementen Fülle, Nutzen und Verwirklichungschancen. Er untersucht den Zusammenhang zwischen Wohlstand und Einkommen und kommt zum Ergebnis, dass zwischen beiden ein Grenznutzenverhältnis bestehe.[3] 

Jackson widmet sich ebenfalls „dem „Mythos der Entkopplung“ und stellt dar, dass der Lösungsansatz in Anbetracht der Entwicklung des Bevölkerungswachstums und des Einkommens/Konsums anhand der Ehrlich-Gleichung weder in relativer Hinsicht noch in absoluter Hinsicht zu einer Verringerung der Umweltauswirkungen führen kann. Der Annahme, dass sich Wirtschaftswachstum und Klimaschutz mühelos miteinander vereinbaren lassen, tritt Jackson entgegen und widerlegt damit den Ansatz von Nicholas Stern im Stern-Report. Nach Auffassung des Autors gibt es kein Szenario, das eine stetig wachsende Bevölkerung mit wachsendem Einkommen/Konsum mit ökologischer Nachhaltigkeit verbinden kann.[4]

Dem Element von Einkommen und Konsum geht Jackson identifiziert den Konsumismus als Motor des Wachstums und untersucht diesen in den verschiedenen auftretenden Formen des Kapitalismus. Effekte wie der Rebound-Effekt oder der Backfire-Effekt belegen nach Jackson auch hier, dass Innovation zu keiner automatischen Entkopplung führt.“ [4] 

Mit vielen Daten widerlegt Jackson gekonnt den „Mythos Entkopplung, den ja auch gerne deutsche Umweltpolitiker immer wieder beschwören. Dass sich die Wirtschaftsleistung durch effizientes Wirtschaften vom Ressourcenverbrauch unabhängig machen kann, wird somit widerlegt.
Die absoluten Werte zugrunde legend falle auf, dass etwa die globalen CO2-Emissionen heute um fast 40 Prozent höher seien, als die von 1990. Somit wirken Jacksons Thesen vor allem als eine Konsumkritik.[5] 

Jackson prägt den Begriff der Aschenbrödel-Wirtschaft („Cinderella-Economy“) für ein Wirtschaften, das nicht zu Lasten unserer Lebensgrundlagen und des Klimas geht.
Priorisiert würden lokale Firmen, kommunale Energieprojekte, Bauernmärkte, Slow-Food-Genossenschaften, Büchereien. Laut Jackson könnten diese die Keime für ein neues, ressourcenschonenderes und umweltverträglicheres Wirtschaftssystem darstellen, das zudem noch glücksfördernd wirken könnte.[5] 

Die Prämisse „Wohlstand ohne Wachstum“ wird unter der Überschrift „Weg in ein nachhaltiges Wirtschaftssystem“ mit konkreten Vorschlägen für eine eine Wirtschaftsordnung beschrieben. 
„Der grundlegende Ansatz besteht im Setzen von Grenzen, der Reparatur des bestehenden Wirtschaftsmodells und der Veränderung der gesellschaftlichen Logik vor allem im Bereich des Konsumismus.[4] 

„Einen Blick in die Zukunft gewährt Jackson mit dem Kapitel „Bleibender Wohlstand“. Dabei widerspricht er wiederholt der Annahme, dass ein effizienter Kapitalismus das Klima stabilisieren könne und eine Lösung für die Knappheit der Ressourcen darstelle.“[4]

Perspektive:
In den folgenden Ausführungen wird die hier begonnene Darstellung mit Erläuterungen zu den Anteilen des Mehrwert auf volkswirtschaftlicher Eben und die konkrete Ausgestaltung von Lösungsansätzen für eine nachhaltige Gesellschaft und Ökonomie von mir weiter vertieft und erläutert. 


Verweise, Quellen und Links:
[1]     Stephan Kaufmann: Wohlstand ohne Wachstum. In: Frankfurter Rundschau
         (fr.de) 22. Januar 2019, abgerufen am 30. Januar 2024.
[2]     wikipedia.de: Bruttoinlandsprodukt 
[3]    Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum – das Update: Grundlagen für eine
         zukunftsfähige Wirtschaft. 2. Auflage, 2017 
[4]     Zeit-online: Die Aschenbrödel-Wirtschaft: Wohlstand ohne Wachstum ; 8. April 2011
[5]    wikipedia.de: Wohlstand ohne Wachstum zu Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum –
         das Update: Grundlagen für eine zukunftsfähige Wirtschaft. 2. Auflage. oekom, 2017