Bürgerbegehren für den Erhalt eines Bahnübergangs
Nun zu etwas ganz anderem auf kommunaler Ebene, was aber auch viel mit Demokratie zu tun hat: Eine in einem Fachausschuss gefallene Entscheidung scheint in weiten Teilen gegen Interesse und Willen von Anwohnern, Bürgern, aber auch gegen die Belange von Klimaschutz, Naturschutz und Biodiversität und gegen die finanzpolitische Vernunft zu verstoßen.
Es geht um den Bahnübergang Grünewaldstraße, einen nur für Fußgänger und Fahrradfahrer freigegebenen Bahnübergang im Bereich des Bahnhofs Braunschweig-Gliesmarode.
Bereits bei Vorstellung des Projektes im Januar 2022 im Rahmen der DB-Planung zur Erneuerung der Signaltechnik seitens der Stadt gab es nur Vorschläge niveaufreier Kreuzungen als Ersatz des bisherigen niveaugleichen beschrankten Bahnübergangs. Eine Modernisierung des niveaugleichen Bahnübergangs wurde seitens der Planer wohl nie ernsthaft in Betracht gezogen, obwohl die Stadt Braunschweig aufgrund des bestehenden rechtlichen Bestandsschutzes darauf hätte bestehen können.
Bei erstmaliger Bekanntgabe in den betreffenden Bezirksräten gab es nur wenig Gegenwind, wohl auch wegen des kurzfristigen Zeitraums des umfangreichen Antrags. Nur seitens der Gruppe von „BIBS” und „die Linke” gab es Bedenken und eine ablehnende Haltung.
Ich selbst war als Bürger anwesend und bekam auf meine Fragen von den meisten Fraktionen nur als Antwort, dass es ja bloß eine Grundsatzentscheidung sei ohne Festlegung auf eine konkrete Variante. Warum es keine Variante unter Beibehaltung eines niveaugleichen beschranken Übergangs gab, konnte oder wollte mir niemand beantworten.
Darauf wurde von vielen interessierten Bürgerinnen und Bürgern, die sich durch die vorgelegte Planung hintergangen fühlten Protest organisiert. Begonnen hat es 28. Januar 2022 mit einer vom bs-forum organisierten am Informationsveranstaltung für die Öffentlichkeit (Anwohner, Presse und Interessierte), während der weitere Aspekte dargestellt wurden.
So stellt die Allee mit ihren hohen Linden sowohl sommerlichen Schattenspender, Lebensraum mit hohem Grad an Biodiversität (Insekten, Fledermäuse, Vögel), liebgewonnenes Stadtbild, mikroklimatische Kühlung des Stadtbezirks als auch CO2-Senke bezüglich des Luftklimas dar.
Weitere Aspekte sind der hohe Betonverbrauch, Verminderung der gefühlten subjektiven Sicherheit besonders von Frauen im Dunkeln sowie die letztendlich lange Schließung des Bahnübergangs von bis zu 10 Jahren aus bautechnischen Gründen dar (einschließlich Verzögerungen durch mögliche Klagen gegen das Bauvorhaben). Veränderungen im Bereich des Grundwassers sind vorhersehbar, deren Folgen für Gärten und Kleingärten schwer abschätzbar, die Resilienz gegenüber Starkregenereignissen in Folge des Klimawandels wäre aller Voraussicht nach herabgesetzt, verbunden mit einem erhöhten Risiko für Überschwemmungen.
Letztlich stellt eine Unterführung die für den Steuerzahler in Summe teurere Lösung dar.
Dem steht als einziges Gegenargument die Beschleunigung des Radverkehrs im Rahmen der Integration der Unterführung in das Radschnellwegenetz gegenüber. Dieses ist jedoch nur theoretisch positiv, da stadteinwärts vom Radverkehr zuvor die vielbefahrene Berliner Straße mit bis zu zwei Ampelphasen überquert werden müsste. Auf der stadteinwärts gelegenen Seite endet die Trasse im Wohngebiet und müsste quer verschwenkt werden, um den Charakter eines Schnellweges zu wahren. Es bleibt unklar, wie dies praktisch ermöglicht werden kann.
Im Oktober 2022 begann die erste Unterschriftensammlung zum Erhalt des Bahnübergangs, durchgeführt vom bs-forum und der BIBS. Parallel dazu erschienen zahlreiche Artikel in Braunschweiger Zeitung, dem Rundschreiben des bs-forum und der Umweltzeitung.
Eine große Informationsveranstaltung seitens der Stadt Braunschweig in der Volkswagen-Halle im Mai 2023 eröffnete die Möglichkeit von Bürger-Stellungnahmen. Dies stieß auf große Resonanz in Form von 537 Stellungnahmen, davon über 90 % mit einer ablehnenden Position gegen eine Unterführung und für eine optimierte Übergangslösung mit Schranken.
Im Laufe der Zeit wurde die Anzahl der möglichen Varianten auf zwei reduziert:
„Variante 0+” und „Variante 1”.
Die erstere ist durch massive Bürgereinwände entstanden. Diese basiert auch auf fachlicher Beratung von Eisenbahn- und Signaltechnik-Experten und ermöglicht bei geänderter Signalstandorten auch bei Verdoppelung der Zugfolge sowohl kürzere Schließzeiten der Schranken als eine geringere Stundenschließzeit des Übergangs.
Die zweite stellt eine 235 m lange nahezu geradlinige Unterführung unter Verlust von 34 teils hohen und alten Bäumen, wesentlichen Eingriffen in das Stadtbild, sowie den Verlust der Wechselmöglichkeit vom "Ringgleis"-Radwegs zum Radweg Grünewaldstraße dar.
Abstimmungen in den Bezirksräten 120 und 112 im September 2023 ergaben jeweils eine Mehrheit unterschiedlicher Parteien für die „Variante 0+” und gegen eine Unterführung (Variante 1). Die hierauf basierende Hoffnung der Mitstreiter für den Erhalt des Bahnübergangs und der Bäume war groß.
Der Beschluss des Ausschuss für Mobilität, Tiefbau und Auftragsvergabe (AMTA) stellte alles auf den Kopf: Es wurde für die „Variante 1” mit Unterführung gestimmt. Bemerkenswert scheint, dass die Stadtverwaltung erstmals keine Beschlussempfehlung bei Vorlage zweier Varianten abgegeben hatte.
Dies jedoch erhöhte die Bereitschaft zu weiteren Protesten und die Ablehnung dieser als gegen den Bürgerwillen empfundenen Entscheidung umso mehr. Es gipfelte letztendlich im Antrags zur Durchführung eines Bürgerbegehrens namentlich durch drei Bürgerinnen und Bürger am 19.10.2023 an den Oberbürgermeister Dr. Kornblum. [1]
Der Verwaltungsausschusses vom Rat der Stadt Braunschweig hat mit Begründung der Unzulässigkeit eines Bürgerbegehrens in dieser Entscheidung diesen zurückgewiesen. Somit blieb den Antragstellern nur, den Rechtsweg zu beschreiten und mit einer Klage unter gleichzeitiger Berufung auf die Eilbedürftigkeit des Verfahrens. Während die erste Instanz (Verwaltungsgericht Braunschweig) der Argumentation der Stadt folgte, folgte die zweite Instanz (Oberverwaltungsgericht Lüneburg) den Beschwerdeführern gegen die Ablehnung eines Bürgerbegehrens über die Vorzugsvariante eines Bahnüberganges in Braunschweig und erklärte die Ablehnung des Bürgerbegehrens als unzulässig. Dieser Entschluss ist juristisch rechtskräftig.
Nach Klärung der letzten Formalien (Wortlaut und Form des Bürgerbegehrens, ermittelter Kostenrahmen beider Varianten durch die Stadt Braunschweig) kommt es nun endlich zur wirklichen Mitbestimmung von Bürgerinnen und Bürgern:
Seit dem 29. Juni 2024 dürfen Unterschriften für das Bürgerbegehren gesammelt werden.
Gesammelt wird an verschiedenen Orten in Braunschweig, unterschriftsberechtigt sind
alle seit mindestens 3 Monaten auf dem Gebiet der Stadt Braunschweig lebenden wahlberechtigten Bürger deutscher Staatsangehörigkeit und EU-Bürger ab 16. Jahren.
Das Bürgerbegehren dient letztlich dazu, einen Bürgerentscheid zu erwirken; mit diesem wären sämtlichen Wahlberechtigte ähnlich wie bei einer Wahl berechtigt, über das Thema in Form einer Frage abzustimmen. Das Abstimmungsergebnis hätte dann einen bindenden Charakter wie ein Ratsbeschluss.
Weitere Informationen gibt es bei:
[1] bs-forum/Bahnübergang Grünewaldstraße