Was gegen die politische Kurzsicht des Kanzlers tun?

Es bedarf dieser drastischen Überschrift. Weniger Bildhaftigkeit geht nicht.
Denn es ist als "politische Kurzsichtigkeit" nicht mehr vermittelbar. Es ist entweder willentliches Ignorieren oder bewusstes Ausblendenden von eigener Wahrnehmung der Realität.

Auf dem Volkskongress der Kommunistischen Partei Chinas hat Chinas Präsident Xi Jinping hinsichtlich des Umgangs mit Taiwan offen angekündigt, dass es in wenigen Jahren zu einer Vereinigung mit Taiwan kommen werde, wörtlich "wenn es geht mit friedlichen Mitteln".
Kurz darauf wird dem chinesischen Staatskonzern COSCO eine Beteiligung am Pier Tollerort des Hamburger Hafens zugebilligt und auch eine Beteiligung am deutschen Hersteller von Halbleitern Elmos Semiconductor [1] steht zur Entscheidung.
Dies ist den Bürgerinnen/Bürgern nicht mehr vermittelbar, wenn die im Koalitionsvertrag der Ampel angekündigte "ethisch basierte Außenpolitik" ernst gemeint sein soll.

Soll der Anteil am Pier Tollerort des Hamburger Hafen dann ein "Geschenk zur Vereinigung" sein?
Und was passiert, wenn die Vereinigung "nicht friedlich geht"? 

Ich halte zum jetzigen Zeitpunkt die Zustimmung einer Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns COSCO am genannten Hafenpier Tollerort des Hamburger Hafens zu geben, nicht nur grundsätzlich fraglich sondern sogar für ausdrücklich falsch.
Wenn in Kürze auch noch der Kanzler mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation zur Unterschriftsleistung neuer Wirtschaftsverträge nach China reisen wird, stellt es sich von der Signalwirkung her als ein "Weiter so - uns stört es nicht" dar. 

Von den Koalitionspartnern der Ampel und selbst aus den Reihen der SPD kommen deutliche Warnungen und Ablehnung, auch führende Fachleute von Wirtschaftsinstituten warnen davor und lehnen dies ab. Im Fall der Beteiligung an einer Chipfabrik gibt es sogar Warnungen seitens der Geheimdienste [2].

WAS MUSS DENN NOCH PASSIEREN? 

Ein Blick in die mögliche Zukunft, wie sie sich anhand der beschriebenen Situation darstellt, offenbart nichts Gutes.
Wenn es in Asien zu einer sich militärisch zuspitzenden Krise kommen sollte, wird dies erhebliche Auswirkungen haben. Dagegen wirken die die energiepolitischen Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine vergleichsweise klein. Es liefe auf eine Krise der gesamten Weltwirtschaft allein durch die Unterbrechung der Lieferketten und den Ausfall von Mikrochip-Lieferungen hinaus, die von historischem Ausmaß wäre.
Es sei nur daran erinnert, dass etwa 90% der weltweit benötigten Mikrochips kleinster Strukturgröße aus Taiwan stammen. Ohne diese würde weltweit die Fertigung von Produkten mit solchen Mikrochips zusammenbrechen [3].
Wenn dann noch Nordkorea im Schatten dieses vorhersehbaren Konfliktes ein eigenes Spiel begänne, was dann? (Es gibt ernsthafte Anzeichen, die darauf hindeuten.)
Abgesehen davon ginge ein falsches Signal an die Welt, dass Kriege wieder zu einem Mittel der Politik würden. Dies wäre für den Weltfrieden fatal. Weitere Länder könnten versuchen, bisher kleinere Krisen auf diese Art zu lösen. 

Der Einfluss Chinas durch die Seidenstraßen-Politik ist jetzt schon erkennbar und lässt einen Plan erkennen: Die Erlangung von Einfluss auf weltweit viele Häfen auf allen Kontinenten. Schon jetzt hält der chinesische Staatskonzern Anteile an vielen europäischen und afrikanischen Häfen im Mittelmeer- und Nordseeraum:
Piräus / Griechenland:   100 %
Zeebrugge / Belgien:       85 %
Valencia / Spanien:          51 %
Vado Ligure / Italien:        40 %
Bilbao / Spanien:              39 %
Rotterdam / Niederlande: 35 %
Istanbul / Türkei:               26 %
Antwerpen / Belgien:         20 %
Suezkanal / Ägypten:        20 %       [4]

In Piräus fing es 2009 nach der Finanzkrise Griechenlands an, als im Oktober 51 % der Hafenanteile des Containerhafens dem chinesischen Staatskonzern COSCO für 35 Jahre verpachtet. 
2014 wurden 67 % der Gesamtanteile von Piräus Port Authority (PPA) erworben [5].
Die Umsätze wurden stets gesteigert, der Anteilsbesitz auch. Das ganze muss in Zusammenhang mit der "Seidenstraßen-Politik" Chinas gesehen werden, womit eine offensive weltweite Vergrößerung des chinesischen Handelsvolumens verbunden ist. Zugleich wächst allerdings auch zunehmend der Einfluss des chinesischen Staates an Entscheidungen. In Zusammenhang mit der Ein-China-Politik mit der Expansionsrichtung auf Taiwan kann zukünftig auch immer mehr ökonomischer Druck von China aufgebaut werden.
Weil erfahrungsgemäß der Anteil gegenüber dem Einstiegswert steigen wird, erscheint es naiv, durch eine Begrenzung des Anteils der Beteiligung am Hafenpier Tollerort des Hamburger Hafens auf 24,9 % den Einfluss begrenzen können zu glauben.

Schon in jüngster Vergangenheit ist direkt und indirekt über Konzerne mit chinesischer Beteiligung Druck auf Staaten ausgeübt worden, wenn diese z.B. Handelsverbesserungen mit Taiwan beabsichtigt und dies kommuniziert hatten.
Dies wird und wurde auf dem Volkskongress in China offen so ausgesprochen und als legitimes Signal chinesischer Außenpolitik gesehen.

Sollte die deutsche Außen-Handelspolitik nicht angesichts der Erfahrung mit der Energieabhängigkeit von Russland neu aufgestellt werden? Dies scheint auf die Art mit eingangs geschilderten Signalen deutscher Außenpolitik nicht möglich. Deswegen würden solche Entscheidungen Akte von politisch unverantwortlichem Handeln darstellen.

Es muss perspektivisch eine international breitere Aufstellung der deutschen und europäischen Wirtschaft erreicht werden. Deswegen ist die Intensivierung der Handelsbeziehungen in der jetzigen Situation sowohl das falsche Signal als auch ein nicht abschätzbares Risiko für die nahe Zukunft. Je größer die ökonomische Abhängigkeit von China wird, umso stärker würde sich eine politische Krise zwischen China und Taiwan auswirken und diese auch wahrscheinlicher werden lassen.

Es wäre auch eine staatlich finanziell unterstützte Initiative der deutschen und europäischen Mikrochipherstellung sinnvoll. Auch würde die Schaffung von europäischen Social-Networks, z.B. als Alternative zu Twitter und Telegram sinnvoll sein, auch der Datensicherheit europäischen Standards wegen.
Auch eine solche Perspektive für Europa fehlt der momentanen Wirtschaftsförderung in EU und Deutschland. Wohin ist die Aufbruchs-Euphorie des letzten Jahres verpufft. Diese sollte und muss wider die Auswirkungen des Ukraine-Krieges und der Einflüsse durch Folgen des Klimawandels weiter vorangebracht werden. Das ist dringend notwendig und wäre ein positives Signal.
Solche Investitionen in die Zukunft Europas und der freien Welt brauchen wir jetzt.

Quellen:
[1]    t-online: Bundesregierung will zustimmen - Chinesen wollen deutsche Chip-Fabrik
         Geheimdienste warnen 
[2]    unterschiedliche Nachrichtenmeldungen vom 30.10.2022
[3]    ARD-Weltspiegel: Kampf um Taiwan; 8.10.2022
[4]    t-online: Hamburger Hafen-Deal: Wie gefährlich sind chinesische Beteiligungen wirklich?;
         10-2022
[5]    wikipedia: Hafen von Piräus