Die Klimabilanz der Stadt Braunschweig [1]

Erst Anfang der Woche hat der Weltklimarat seinen neuesten Bericht veröffentlicht. Darin wird beschrieben, dass die Erderwärmung schneller voranschreitet als die bisherigen Berichte mit deren Studien beschreiben. [1]
Das 1,5°-Ziel, also eine Begrenzung der Erderwärmung bei 1,5°, bleibt dennoch erreichbar. Hierzu ist jedoch ein viel stärkerer Klimaschutz als aktuell praktiziert notwendig.

Im Vergleich zum Land Niedersachsen und zum Bund hat die Stadt Braunschweig sich per Ratsbeschluss vom 5.10.2021 ein früheres Erreichen der Klimaneutralität zum Ziel gesetzt, dies soll bis 2030 geschehen.

Was aber sind die Voraussetzungen?
Welches sind die Regeln, die Klimaneutralität definieren?

Ohne Definition wäre Klimaneutralität ein Schwammbegriff. Und ganz nebenbei wäre die Umgestaltung der Braunschweiger Innenstadt als Schwammstadt Teil der notwendigen Voraussetzungen zum Erreichen dieses Ziels.
Welche Bereiche stehen hierzu der Stadt überhaupt zur Verfügung?

Dies sind neben Stadtplanung/Bauwesen vor allem Öffentlicher Verkehr und Energie.
Auf die Bereiche Arbeit, privater Konsum, Individualverkehr und Wohnen hat die Stadt keinen direkten Einfluss.

Als Beispiel soll hier der Themenblock Zement-Beton-Bauen betrachtet werden:
Die Herstellung einer Tonne Zement, basierend auf bisheriger Produktionstechnik, erfordert einen hohen Energieeinsatz, der 0,7 Tonnen CO2 freisetzt. [2]
Dem Zement werden weitere Stoffe (Wasser, Sand und Kies) beigemischt, so dass pro Tonne Beton eine etwas geringere CO2-Freisetzung angenommen werden kann. [3]

Eine 100 Jahre gewachsene Fichte von 35 Meter Höhe und einem Stammdurchmesser von
50 cm in 1,30 Meter Stammhöhe entspricht einem Holzvolumen von etwa 3,4 m³. In ihr sind etwa 0,7 t Kohlenstoff gebunden, was dem Äquivalent von 2,7 Tonnen CO2 entspricht.[4] 

Somit entspricht die CO2 Emission zur Herstellung von 10 Tonnen Zement etwa dem in Holz gebundenen Kohlenstoffanteil (CO2), den 3 Fichten durch hundert Jahre Wachstum binden.
Von jetzt an bis 2030 sind es nur noch weniger als 7 Jahre, zudem ist die Speicherung von CO2 in Baumholz in den ersten Jahren geringer. Also bedarf zu einer entsprechenden CO2-Bindung vieler jüngerer Bäume und somit einer größeren Fläche der Ausgleichspflanzung.
Je weiter die Zeit fortschreitet und die Zeitspanne bis 2030 abnimmt, steigt die Zahl notweniger Ausgleichspflanzungen (idealerweise anderer Bäume als Fichten und auch keiner Monokulturen).

Wenn heute Gebäude entstehen, zu deren Bau noch kein klimaverträglicher Zement ergo Beton zur Verfügung steht, und in diesen Gebäuden 1000 Tonnen Beton verbaut werden, müssten einige ha Wald als Ausgleichspflanzung angelegt werden.
Aspekt "Stahlbeton":
Die Stahlproduktion gilt als ähnlich klimaschädlich wie die Produktion von Zement.
Wo sollen nun die zum Erreichen der Klimaneutralität notwendige Ersatzpflanzung von Bäumen/Wald realisiert werden? 

Meine Auswertung der Beschlüsse von Bezirksräten und des Rats der Stadt bezogen auf Bauprojekte würde mindestens die Entsiegelung der Fläche eines kompletten Stadtteils  notwendig machen, damit die Klimaneutralität der Stadt unter günstigsten Annahmen bis 2030 überhaupt erreicht werden kann. 
Die Frage: "Welcher Stadtteil sollte dem geopfert werden und wohin sollten dann die Einwohner desselben ziehen?" stelle ich gar nicht erst.
Denn dies kann niemand ernsthaft in Erwägung ziehen.
Aber wenn nicht, wo bleibt dann die Konsequenz des Handelns? 
Wie soll das Klimaziel erreicht werden?

Wer erstellt die Klimabilanz der Stadt Braunschweig?
Nach welchen Kriterien wird die Klimaneutralität bis und ab 2030 bemessen?

OHNE dies ist der Begriff der KLIMANEUTRALITÄT wertlos, da beliebig interpretierbar.

{wird fortgesetzt}

Quellen:
[1] Tagesschau.de: Synthesebericht des IPCC/Weltklimarats vom 20.03.2023
[2] Spektrum der Wissenschaft / Roland Knauer: Warum Beton klimaschädlich ist
[3] wikipedia.de: Beton
[4] Stiftung Baum und Wald / Waldwissen: Wieviel CO2 speichert der Wald bzw. ein Baum?

This article was updated on März 24, 2023