Die Zukunft von Arbeit - zum Tag der Arbeit
Am 1. Mai wurde vielerorts wieder der Tag der Arbeit bedacht und es wurden viele Reden gehalten. Vor allem bezüglich fairer Entlohnung und mit Forderungen nach Tariferhöhungen.
So geschehen ist es auch in Braunschweig auf dem Burgplatz.
Dies lohnt sich, aus Sicht der sozialen Gerechtigkeit einmal genauer zu betrachten.
Angesicht der aufgrund verschiedener Effekte entstandenen hohen derzeitigen Inflation von über 7 %, sind auch die Gehaltsforderungen dementsprechend höher angesetzt worden. Das entspricht den Gepflogenheiten der Tarifverhandlungen im Rahmen der gegenwärtigen, auf Wachstum basierten Ökonomie.
Ich werde die gegenwärtigen Tarifforderungen folgend genauer betrachten. Es gibt Bereiche von Arbeit, die stärker als andere Bereiche wegen niedriger Löhne und Gehälter für neue Arbeitnehmer*Innen unattraktiv wirken und den in diesen Bereichen Arbeitenden kein der Würde ihrer Tätigkeit entsprechendes Auskommen sichern. Es reicht, deutlich gesagt, kaum zum Leben in Arbeitsplatznähe und urbaner Umgebung.
Hierzu gehören vor allem die Bereiche Gesundheitswesen und Pflege, darüber hinaus auch zur "kritischen Infrastruktur" zählende Bereiche, wie Berufe in Handel und Verkehr, sowie im Sozialbereich.
Hier erscheinen Tarifforderungen, die die Inflation mehr als ausgleichen und zu einer Verbesserung führen, als absolut gerechtfertigt.
Nun haben wir mit den ökonomischen Folgen des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine zu kämpfen. Hierdurch werden sich insbesondere auch die Folgen der Sanktionen der EU gegenüber dem Aggressor in Form eines geringeren Wirtschaftswachstums bemerkbar machen.
Wenn überall von Solidarität gesprochen und diese eingefordert wird, wünsche ich mir auch von den Tarifparteien ökonomisch gut bis sehr gut dastehenden Branchen Maßhaltigkeit. Vor allem um auch den erstgenannten Bereichen von Branchen mit niedrigeren Löhnen gegenüber solidarisch zu bleiben, scheint mir dies wichtig.
Dies gilt für beide Seiten. Auch eine arbeitgeberseitige Ausnutzung nicht situationsgerechter Tarifabschlüsse zur Erhöhung von Gewinnen ist unakzeptabel und nicht solidarisch. Letzteres ist schon zu oft geschehen und hat zu einem unverhältnismäßig hohen Anteil prekärer Beschäftigung geführt.
Angesicht des Leids der Menschen in den Kriegsgebieten und dem hohen Maß an Gastfreundschaft gegenüber aufgenommenen Flüchtlingen in angrenzenden Nachbarländern mit niedrigerem Volkseinkommen, würden in der Breite undifferenziert hohe Tarifabschlüsse aus meiner Sicht die deutsche Zivilgesellschaft als unverhältnismäßig bis unsolidarisch innerhalb Europas erscheinen lassen.
Solidarität darf keinesfalls an der "Schmerzgrenze eines gewissen Maßes an Wohlstandsverlust" enden.
Nicht nur die Klimaziele der Regierung und damit auch der Gesellschaft sondern auch die Transformation zu einer "Nachhaltigen Ökonomie" stehen noch vor uns. Es geht um das Überleben der gesamten Volksökonomie als Basis zur Erwirtschaftung des Volkseinkommens.
Dass die Ausrichtung allein auf Wachstum, gemeint ist das expansive Wachstum, nicht zielführend ist und die kommenden ökonomischen Krisen noch vergrößern wird, habe ich bereits mehrfach erläutert (Club of Rome: "Grenzen des Wachstums").
Wir werden auch mit Umstellung einer auf Wertschöpfung durch Transformation basierenden Ökonomie einen zunehmend geringeren Anteil produktiver Arbeit bei gleichzeitig steigendem Anteil dienstleistender Arbeit kommen. Im produktiven Bereich wird es durch einen höheren Grad an Rationalisierung zu einem weiteren Verlust an Arbeitsplätzen kommen, so durch fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung in Fertigung und Produktion.
Dem zu begegnen, könnte erreicht werden durch eine mittelfristige Unterfütterung von Lohn und Gehalt in sämtlichen Branchen durch eine Form eines Grundeinkommens. Der durch Arbeit entstehende Mehrwert würde zusätzlich aufgeteilt in einen währungsbasierten Anteil einerseits und nicht-kapitalisierbare ideelle Anteile wie Freizeit, lebenswerte Arbeitsbedingungen und Sicherstellung von bezahlbarem Wohnen und regionaler Mobilität andererseits. Hierdurch wäre sowohl das Leistungsprinzip unberührt als auch ein würdevolles Leben ermöglicht.
Für Rentner und Transferleistungsempfänger müssen Grundrente bzw. die Sicherung des Lebensunterhalts für ein würdevolles Einkommen sorgen. Dies wird am 1. Mai, dem "Tag der Arbeit" meist vergessen zu sagen. Denn unabhängig davon, ob Menschen altersbedingt oder aus anderen Gründen unfreiwillig aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind, haben diese auch Respekt und Würde verdient.
Solidarität endet nicht zwischen Arbeitenden und Nicht-(mehr-)arbeitenden.
Dies zeigt, dass neben den Tarifparteien auch die Politik gefragt ist, vor allem die Bundespolitik, so die Bundesregierung und auch die Bundestagsabgeordneten von Ampel und kooperativer Opposition.
Es hat viele Versprechen gegeben, darunter auch das Versprechen, das Arbeitslosengeld-II (Hartz-IV) durch eine gerechtere Form einer Transferleistung zu ersetzen. Dies muss auch eingehalten werden!
Es ist bereits jetzt erkennbar, dass in naher bis mittlerer Zukunft eher ein "Recht auf Arbeit" gefordert sein wird, als Sanktionierung von nicht mehr produktiv tätigen Menschen. Jeder Mensch kann dann auch sozial, caritativ oder in ähnlicher Form aktiv werden ohne wirtschaftlich Existenzangst haben zu müssen.
Solidarität und Gerechtigkeit sind sinnhafte Geschwister im ethisch moralischen Sinn.