Was ist eine Stimme wert?
Öfter schon hatten mir gegenüber Bürgerinnen und Bürger geäußert: "wenn ich sie wähle, wäre meine Stimme ja verschenkt". Dann würden sie lieber einer Kandidatin oder einem Kandidaten der etablierten Parteien die Stimme geben; andere wollten aus Protest eine Kleinpartei wählen.
So aber kann sich nichts ändern und ein "weiter so" ist unverantwortlich.
Wie sehen die Fakten aus? Was stimmt wirklich?
Nach Gesetzerlass durch den Bundestag 2023 und juristischer Prüfung nach verschiedenen zusammengefassten Klagen 2024 u.a. durch die CSU und die Linke gegen das überarbeitete Bundeswahlgesetzes geht aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts [1]
hervor, dass zukünftig nicht mehr alle direkt gewählten Kandidaten großer Parteien sicher ein Mandat gewinnen.
Die Zahl der errungenen Mandate wird durch das Zweitstimmen-Ergebnis, namentlich durch die Zweitstimmendeckung bestimmt. Wenn eine Partei ein Wahlergebnis mit einer höheren Zahl an durch Erststimmen gewonnenen Direktmandaten erzielt als ihr durch das Ergebnis an Zweitstimmen zustünden, werden zukünftig nur noch die Bestergebnisse der Erststimmen berücksichtigt. Die übrigen Ergebnisse verfallen, ein Nachrücken ist nur über die Landesliste möglich. Dies betrifft in Niedersachsen weitestgehend die Kandidaten von SPD und CDU, vor allem aber die der SPD.
Die Kandidaten von Bündnis90/Die Grünen, FDP, Die Linke und AfD hätten realistisch bezogen auf den Wahlkreis 50 - Braunschweig nur eine Chance, über die Landesliste und das Zweitstimmen-Ergebnis in den Bundestag zu kommen. Dem voraus gesetzt ist natürlich das Überschreiten der 5%-Hürde (oder bundesweit die Erringung von drei Direkt-Mandaten).
Für direkt gewählte Kandidaten ohne Partei (anderer Kreiswahlvorschlag) ist hingegen deren Einzug in den Bundestag sicher. Gleiches gilt für Kandidaten von Kleinparteien, deren Partei den Einzug in den Bundestag nicht gelingt, wenn sie die Mehrheit der Erststimmen ihres Wahlkreises auf sich vereinigen. Dies besagt obiges BVG-Urteil [1]
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Also ist es von der Logik her aussichtsreicher, ihre Stimme mir zu geben. Denn wenn sich eine relative Mehrzahl der Wählerinnen und Wähler dazu entschließt, wäre meine Wahl sicher.
Ob dies auch so passiert, hängt im Wesentlichen davon ab, wieweit dies bekannt ist und davon ,ob ich das Vertrauen einer großen Zahl von Wählerinnen und Wählern erringen kann. Hierum bitte ich Sie.
Denn die Braunschweigerinnen und Braunschweiger können nur Einfluss nehmen auf das Wahlergebnis des Wahlkreises 50 - Braunschweig, nicht auf das der übrigen Wahlkreise.
Zitate aus der Urteilsbegründung: [1]
G r ü n d e :
A.
Gegenstand der Verfahren sind die Regelungen des Bundeswahlrechts über die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag. Die Antragstellenden und Beschwerdeführenden begehren – in unterschiedlichem Umfang – insbesondere die Prüfung, ob die Sitzverteilung im Verfahren der Zweitstimmendeckung und die Sperrklausel als Zugangshürde zu diesem Verfahren mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
[...]
I. 8
Die Aufteilung in zwei Stimmen wirkt sich bei denjenigen Wählerinnen und Wählern aus, die ihre Erststimme einem parteilosen Bewerber geben. Ist er im Wahlkreis erfolgreich, werden die Zweitstimmen seiner Wählerinnen und Wähler nicht berücksichtigt. Diese Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 2 WahlG 1953 dehnte § 6 Abs. 1 Satz 2 BWahlG 1956 auf erfolgreiche Bewerber einer Partei aus, für die in dem betreffenden Land keine Landesliste zugelassen wurde. Mit dem Neunzehnten Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 25. November 2011 (BGBl I S. 2313) ergänzte der Gesetzgeber als dritte Konstellation den Fall von Bewerbern, deren Partei zwar gewählt werden kann, aber nicht in den Bundestag einzieht (§ 6 Abs. 1 Satz 4 BWahlG i.d.F. vom 25. November 2011
[...]
§ 1 Zusammensetzung des Deutschen Bundestages und Wahlrechtsgrundsätze
[...] 28
(3) Für die Vergabe der auf die Landeslisten entfallenden Sitze werden, vorbehaltlich der Regelungen des § 6, vorrangig Bewerber berücksichtigt, die in einer Wahl nach Kreiswahlvorschlägen in 299 Wahlkreisen ermittelt werden. Jede Partei erhält in jedem Land für diejenigen ihrer Bewerber, die in den Wahlkreisen in diesem Land die meisten Erststimmen erhalten haben, die Sitzzahl, die von den auf die Partei entfallenden Zweitstimmen gedeckt ist (Zweitstimmendeckung).
[...]
§ 6 Vergabe der Sitze an Bewerber
(1) Ein Wahlkreisbewerber einer Partei (§ 20 Absatz 2) ist dann als Abgeordneter gewählt, wenn er die meisten Erststimmen auf sich vereinigt und im Verfahren der Zweitstimmendeckung (Satz 4) einen Sitz erhält. In jedem Land werden die Bewerber einer Partei, die in den Wahlkreisen die meisten Erststimmen erhalten haben, nach fallendem Erststimmenanteil gereiht. Der Erststimmenanteil ergibt sich aus der Teilung der Zahl der Erststimmen des Bewerbers durch die Gesamtzahl der gültigen Erststimmen in diesem Wahlkreis. Die nach § 4 Absatz 3 für die Landesliste einer Partei ermittelten Sitze werden in der nach Satz 2 gebildeten Reihenfolge an die Wahlkreisbewerber vergeben (Verfahren der Zweitstimmendeckung).
Verweise:
[1] Veröffentlichung BVG-Urteil vom 30. Juli 2024 ; Leitsätze zum Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2024