Zwischenbilanz Klima und Umwelt - Rekorde ohne Ende
BUND-Klimaklage: Bundesregierung zu mehr Klimaschutz verurteilt
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit seinem Urteil im November 2023 auf die vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) eingereichte Klage hin die Bundesregierung erneut zu mehr Klimaschutz aufgefordert.[1]
Mit dem Urteil ist die Bundesregierung dazu verpflichtet worden, beim Klimaschutz
insbesondere in den Sektoren Gebäude sowie Verkehr. Statt nachweislich ungenügender Maßnahmen müssen konkrete Sofortprogramme her, die wirksam die Klimaziele erreicht werden können. Hierdurch wird der Handlungsdruck für mehr Klimapolitik vergrößert.[1]
Einige Sofortmaßnahmen wie ein Tempolimit ließen sich bei vorhandenem guten Willen sofort umsetzen. Die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs, von Steuervorteilen für Diesel und Kerosin sind mittelfristig umsetzbar und klare Vorgaben für die energetische Modernisierung von Gebäuden sind ebenfalls auf den Weg zu bringen.[1]
„Die Rechtsanwälte Hörtzsch und Ekardt erklären zum Urteil: „Das Klimaschutzgesetz ist eindeutig. Es steht nicht im Belieben der Bundesregierung, ob sie bei Überschreitungen von Jahresemissionsmengen durch einzelne Sektoren ein Sofortprogramm aufstellt oder nicht. Das gilt umso mehr, als gemessen am Verfassungsrecht und an der 1,5-Grad-Grenze aus dem Pariser Klima-Abkommen die deutschen Klimaziele weiterhin unzureichend sind. Wenn schon diese unzureichenden Ziele verletzt werden, musste das bei Gericht Folgen haben.“[1]
Der BUND hat die Bundesregierung wegen Nichteinhaltung der im Bundes-Klimaschutzgesetz festgeschriebenen Treibhausgas-Sektorziele für Verkehr und Gebäude verklagt. Der Umweltverband verlangte in seiner beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereichten Klage den Beschluss von Sofortprogrammen, wie sie das KSG vorsieht (Paragraph 8). Diese Sofortprogramme müssen Maßnahmen zur Einhaltung der jährlichen Sektor-Ziele beinhalten. Eine vorherige Aufforderung des Verbandes, ein wirksames Sofortprogramm vorzulegen, ließ die Bundesregierung ungenutzt verstreichen.[1]
Vor dem Hintergrund der sich weltweit abzeichnenden dramatischen Situation, dass bereits seit 13 Monaten die Abweichung erstmals in jedem Monat jeweils mehr als +1,5°C beträgt. So lag im Gesamtzeitraum von Juli 2023 bis Juni 2024 die globale Temperatur den Copernicus-Daten zufolge 1,64 Grad über dem vorindustriellen Durchschnitt. [2]
Dies kann niemanden unberührt lassen.
Bereits im Februar 2024 gab es ein absolutes Maximum. Von Februar 2023 bis Januar 2024 war die Durchschnittstemperatur demnach so hoch wie nie zuvor und lag um 0,64 Grad über der des Referenzzeitraums von 1991 bis 2020 - und insgesamt 1,52 Grad über dem vorindustriellen Referenzwert.[3]
Letztlich stellt diese Tendenz die bereits auf unterschiedlichen Szenarien basierenden Klimavorhersagen in den Schatten: Der Anstieg erfolgt schneller als vorhergesagt!
Dazu kommt ein weiterer Rekord: der heißeste Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnung 1881.
„Es sei kein Meilenstein zum Feiern, sondern "ein Todesurteil": US-Forschern zufolge war der 3. Juli der weltweit bislang heißeste Tag seit Beginn der Aufzeichnungen. Schuld daran seien der Klimawandel und El Niño.“[4]
„US-Wissenschaftlern zufolge war Montag, der 3. Juli, der weltweit bislang heißeste Tag seit Beginn der Aufzeichnungen. Die durchschnittliche globale Temperatur habe 17,01 Grad Celsius erreicht, teilten die Nationalen Zentren zur Umweltvorhersage (NCEP) der USA mit. Damit sei der bisherige Rekord vom August 2016 mit 16,92 Grad Celsius übertroffen worden.
"Das ist kein Meilenstein, den wir feiern sollten", sagte die Forscherin Friederike Otto von dem auf Klimawandel und Umwelt spezialisierten Grantham-Institut am Imperial College in London. "Es ist ein Todesurteil für Menschen und Ökosysteme."[4]
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Hitzewelle in China, fast 50 Grad in Nordafrika
„In den vergangenen Wochen litt der Süden der USA unter einer intensiven Hitzeglocke. In China setzte sich eine Hitzewelle fort, bei der Temperaturen von über 35 Grad erreicht wurden. Nordafrika verzeichnete Temperaturen nahe 50 Grad.[4]
Auch in der Antarktis stiegen die Thermometer ungewöhnlich hoch: An der ukrainischen Polar-Station Vernadsky wurde kürzlich mit 8,7 Grad der Temperaturrekord für Juni gebrochen. Für die Entwicklung haben Wissenschaftler den Klimawandel in Verbindung mit einem aufkommenden El-Niño-Phänomen verantwortlich gemacht.“[4]
Dies zur globalen Situation, in Deutschland war die Situation der letzten 12 Monate etwas anders, teils war es nicht zu warm, dafür zu nass. Denn die vergangenen zwölf Monate in Deutschland waren so niederschlagsreich wie seit 1881 noch nicht.[5]
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) vermeldet einen neuen Rekord: Seit 1881 gab es in Deutschland keine so niederschlagsreiche zusammenhängende zwölf Monate wie im Zeitraum Juli 2023 bis Juni 2024.[5]
In den zwölf Monaten gab es allerdings keinen, der besonders nass war, erklärt der Leiter der Hydrometeorologie des DWD, Frank Kaspar. Der Rekord ergibt sich nur gemittelt. In der Summe fielen in diesem Zeitraum über Deutschland rund 1.070 Litern pro Quadratmeter. Im Vergleich dazu beträgt der vieljährige Mittelwert der Referenzperiode 1961 bis 1990 rund 789 Liter pro Quadratmeter im Jahr. .[5]
Und eine weitere erfolgreiche Klage:
Klage der Deutschen Umwelthilfe: Bundesregierung muss Luftreinhalteprogramm nachbessern
Bereits im Mai hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg geurteilt, dass die Bundesregierung beim Klimaschutzprogramm nachbessern muss.[6]
Nun auch beim Thema Luftschadstoffe, zumindest teilweise. Luftreinhalteprogramme reichen nicht aus.[7]
„Die bisher aufgelisteten Maßnahmen reichten nicht in allen Punkten aus, um den europäischen Vorgaben aus Brüssel bei der Reduzierung des Ausstoßes von Luftschadstoffen gerecht zu werden, so die Richter und Richterinnen des 11. Senats des OVG. Entscheidend: Die dem Luftreinhalteprogramm zugrunde liegende Prognose sei fehlerhaft, weil teilweise nicht die aktuellsten Daten eingestellt und Veränderungen in der Planung der Maßnahmen nicht berücksichtigt wurden, so die Vorsitzende Richterin Ariane Holle in ihrer mündlichen Urteilsbegründung.
„Nach europäischem Recht müssen die Emissionen von Luftschadstoffen deutlich reduziert werden. Stickstoffoxide beispielsweise von Autoabgasen um 65 Prozent, Ammoniak, das größtenteils in der Landwirtschaft entsteht, um 29 Prozent und Feinstaub, etwa von Reifenabrieb oder Holzheizungen, um 43 Prozent. Alle vier Jahre stellen die Mitgliedstaaten dazu ein nationales Luftreinhalteprogramm auf, in dem festgelegt ist, wie die Ziele umgesetzt werden.“
DUH: Europäische Ziele können nicht erreicht werden
„Im jetzt entschiedenen Verfahren ging es um das 2019 beschlossene Nationale Luftreinhalteprogramm mit vielen Maßnahmen, mit denen Deutschland die europäischen Ziele bei der Reduzierung des Ausstoßes von Luftschadstoffen erreichen will. Dieses wurde erst im Mai 2024 durch einen Kabinettsbeschluss aktualisiert, doch aus Sicht der DUH reicht das nicht aus. Denn das aktualisierte Klimaschutzprogramm basiere auf Emissionsprognosen von 2021, bei denen Maßnahmen mit eingerechnet worden seien, die dann aber abgesagt oder abgeschwächt wurden.
Außerdem kritisierte die DUH, dass für die Aktualisierung im Mai nicht der bereits vorliegende Bericht zum Treibhausgas-Ausstoß für 2024 verwendet wurde, sondern ältere Daten des Bundesumweltamts von 2023. Wegen dieser Prognosefehler hat das OVG die Bundesregierung nun zu einer entsprechenden Änderung des Luftreinhalteprogramms verpflichtet. [..]“
DUH sieht Spielräume in Landwirtschaft und Straßenverkehr
„Die Bundesregierung sei aber nicht verpflichtet, von 2025 bis 2029 einen sogenannten "linearen Reduktionspfad" mit stetig steigenden Reduktionsverpflichtungen zu beschließen, so das Gericht weiter, das in diesem Punkt die Klage der Umwelthilfe abwies.
Welche konkreten Maßnahmen die Bundesregierung treffen kann, damit das Programm den Vorgaben entspricht, ist offen. Spielräume sieht die DUH insbesondere in der Landwirtschaft und im Straßenverkehr.“[7]
„Die Bundesregierung hatte im Jahr 2019 auf Druck der EU das NLRP lanciert, das schließlich mit Kabinettsbeschluss vom 15. Mai 2024 aktualisiert wurde. Bei dem Programm geht es darum, die 2016 eingeführten europäischen Vorgaben für saubere Luft umzusetzen (NEC, National Emission Reductions Commitments). Die Richtlinie verpflichtet die EU-Mitglieder, nationale Luftreinhalteprogramme zu erstellen.“
„Das deutsche NLRP enthält vielfältige Maßnahmen und Vorgaben zur Reduktion bestimmter Schadstoffe in der Luft, vor allem Ammoniak, Feinstaub, Schwefeldioxid und Stickstoffoxid. Die DUH wirft der Regierung jedoch vor, dass die getroffenen Maßnahmen nicht ausreichen, um die entsprechenden Grenzwerte künftig einzuhalten.“
„Das Gericht gab der DUH deshalb teilweise recht, weil es davon ausgeht, dass die Prognosen der Bundesregierung, die dem NLRP zugrunde liegen, fehlerhaft sind. [..].“
„Konkret moniert der Senat beispielsweise, dass bei den Prognosen der Klimaschutz-Projektionsbericht 2021 berücksichtigt worden sei, aber nicht mehr der im August vergangenen Jahres erschienene Klimaschutz-Projektionsbericht 2023. Zudem sei bei einer anderen Maßnahme zum Einbau von neuen Heizungen nicht die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes in der im September 2023 beschlossenen Fassung berücksichtigt worden. Diese erlaube jedoch den Betrieb von Holzpellet-Heizungen, die allerdings zu einer stärkeren Luftverschmutzung mit Feinstaub führen würden. Auch die damit im Zusammenhang stehenden Änderungen bei der Bundesförderung für effiziente Gebäude seien unberücksichtigt geblieben.“
„Darüber hinaus kritisieren die Richter weitere handwerkliche Fehler der Bundesregierung. So sei die Maßnahme «Beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung idealerweise bis 2030» ebenfalls mit Prognosefehlern behaftet. Bei der Berechnung des Minderungspotenzials bei Emissionen gehe die Maßnahme noch davon aus, dass bis zum 31. Dezember 2029 alle Kohlekraftwerke vom Netz gehen würden. Und beim Thema Verkehr habe es Prognosefehler im Zusammenhang mit der Berücksichtigung der Abgasnorm Euro 7 gegeben. Diese lege entgegen der im NLRP berücksichtigten Planung weniger strenge Grenzwerte für Personenwagen fest als erwartet.“[8]
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Alles in allem muss viel mehr getan werden als bisher geplant.
Denn letztlich nützt auch ein Wirtschaftswachstum niemandem
wenn zugleich durch eine stetig anwachsende Höhe an Klimafolgeschäden
ab dem Zeitpunkt der Überschreitung des ökonomischen Kipppunktes
die Finanzen nur noch ausreichen zu reagieren und Schäden zu begleichen,
diese Mittel dann aber für dringend erforderliche Investitionen fehlen.
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Quellen und Verweise:
[1] BUND Deutschland: BUND-Klimaklage: Bundesregierung zu mehr Klimaschutz verurteilt;
30. November 2023
[2] zdf.de/heute: Globale Erwärmung: Klima: Seit einem Jahr über 1,5-Grad-Marke;
08.07.2024
[3] tagesschau.de: Erderwärmung erstmals durchschnittlich über 1,5 Grad; 08.02.2024
[4] tagesschau.de: US-Forscher Montag war der heißeste Tag der Geschichte; 04.07.2024
[5] stern.de: Letzte zwölf Monate so nass wie nie seit Messbeginn; 04.07.2024
[6] dw.com: Klimaschutz: Gericht verurteilt Regierung zu Nachbesserung; 17.05.2024
[7] zdf.de/heute: Klage der Deutschen Umwelthilfe: Saubere Luft: Was die Regierung jetzt
tun muss; 23.07.2024
[8] nzz.ch: Deutsche Umwelthilfe erhält erneut recht vor Gericht: Die Bundesregierung muss
mehr für die Sauberkeit der Luft tun; 23.07.2024