Klimaziele und Soziale Gerechtigkeit

Um die Welt-Klimaziele ( Übereinkommen von Paris[1]) zu erreichen, sind die Klimaziele Deutschlands formuliert worden. Sie finden sich im Wesentlichen im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition[2]. Sie sollen hier zusammen mit den Nachhaltigkeitszielen betrachtet werden. Dem gegenüber gestellt ist die Thematik der Sozialen Gerechtigkeit. Was haben diese Themenkomplexe miteinander zu tun? 
Die Kausalitäten und Zusammenhänge sollen im folgenden erläutert werden.

Die Bundesregierung hat sich als Ziel gesetzt, die Treibhausemissionen drastisch zu senken, um die Erderwärmung zu begrenzen. Bis 2030 sollen 80 Prozent des erwarteten Energiebedarfs aus Erneuerbaren Energien stammen[2]. "Zur Einhaltung der Klimaschutzziele ist auch ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung nötig", der idealerweise schon bis 2030 gelingen solle[2].
Heute betragen die Anteile am Gesamtenergieverbrauch bei Gewerbe 16%, bei Industrie 26%, für Verkehr 28% und der Haushalte 30%[3].

Die Ausgaben privater Haushalte lagen 2020 für Nahrungs- & Genussmittel bei 15,4%, für Wohnen und Energiekosten bei 36,8% und für Verkehr bei 12,9%. Es sind nur die größten Haushaltsanteile aufgeführt[4]. Der Anteil unmittelbar notwendigen Ausgaben beträgt bezogen auf den Durchschnittshaushalt in Summe über 75%. Bei Haushalten niedriger Einkommen verschiebt sich dieser Anteil auf annähernd 100%. 

Produkte und Dienstleistungen aus fairem Handel, nachhaltiger und klimaneutraler Produktion sind teurer als bisherige konventionelle Produkte. Für sozial schwache Haushalte bleibt außer durch Verzicht an anderer Stelle keine Möglichkeit, auf solche Produkte umzusteigen. Verzicht erscheint angesichts ohnehin knapper finanzieller Mittel als keine realisierbare Option. Aus meiner Sicht ist schon jetzt ein würdiges Leben bei Bezug von Transferleistungen kaum möglich.
Auch Haushalte niedrigen Erwerbeinkommens (z.B. Niedriglohnsektor) haben nur geringe Möglichkeiten, CO2-neutrale oder umweltfreundlichere Nahrungsmittel und Produkte zu kaufen bzw. anzuschaffen.

Was sind die Ursachen dafür?
Der Regelbedarf wird in fünfjährigem Rhythmus vom Statistischen Bundesamt errechnet. Basis hierfür ist das Regelbedarf-Ermittlungsgesetz (RBEG)[5]. Bezug genommen wird auf die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS)[5], die auf einer freiwilligen Haushaltserhebung basiert. Die Daten werden in allen Bundesländern erhoben und sollen statistisch realitätsgetreu sein. Das Gesetz über die Statistik der Wirtschaftsrechnungen privater Haushalt [5] gibt die Regeln dazu vor. Es kommen so auf freiwilliger Basis die Daten von 0,2% aller Haushalte zusammen. Berücksichtigt werden in der Berechnung der Regelbedarfe keine Daten von Haushalten, die ausschließlich Leistungen nach SGB II (Arbeitslosengeld II) oder SGB XII (Sozialhilfe) beziehen. Von den übrigen Daten dienen die unteren 15% der Daten von Einzelpersonen-Haushalten und die unteren 20% der Daten von Mehrpersonen-Haushalten als Datengrundlage[5]. So erklärt sich die geringe Höhe des Regelbedarfs.

Welche Auswirkungen hat dies?
Statistisch gesehen gilt ein Einzelpersonen-Haushalt bei einem monatlichen Netto-Einkommen von 781 €  als "arm", als "normal gilt ein Monats-Netto-Einkommen von 1301 €[7]. Ein Monats-Netto-Einkommen unterhalb von 1301 € haben nach [6] zwischen 33 und 35% der Bevölkerung (Angabe geschätzt, da Einkommensgrenzen in dieser Statistik unterschiedlich).
Somit gehören bei einer Einwohnerzahl von 83.129.285 in Deutschland[8] zwischen 27 und 31 Millionen Menschen zu dem Anteil mit geringem Einkommen und haben somit keine wirkliche Wahl zwischen Klima schonendem und klimaschädlichem Verhalten in Konsum und Lebensführung.
Wenn nun die allgemeine Akzeptanz gegenüber der Notwendigkeit klimaneutral und nachhaltig zu handeln für die übrige Bevölkerung mit etwa 65% angenommen wird[9], so wären dies gemittelt um 45 Millionen Einwohner, also absolut 54,3%. 
Dies ist zum Erreichen der Klima- und Nachhaltigkeitsziele Deutschlands ein zu niedriger Anteil.

Eine Vergleichsanalyse, basierend auf der Gegenüberstellung einer Mehrinvestition zur Verbesserung der Lebenssituation von Einwohnern mit geringem Einkommen und den erhöhten Klimafolgekosten bei Nicht-Erreichen der gesteckten Klimaziele, zeigt aus meiner Sicht, dass es nicht nur sinnvoll sondern unbedingt notwendig ist, den Menschen aus der unteren Einkommensgruppe eine wirkliche Wahl zu ermöglichen, sich auch klimafreundlich und ökologisch verhalten zu können.
NUR SO können die Klimaziele erreicht werden!

Ob nun die Kaufkraft von Menschen mit niedrigem Einkommen durch ein "faires Grundeinkommen", durch einen "Klima-Umwelt-Zuschlag" verbessert wird, oder ob durch eine steuerliche Begünstigung von klimaneutralen, fair gehandelten Produkten und Dienstleistungen eine freie Produkt-Wahlmöglichkeit erreicht wird, müssen die in Verantwortung stehenden Parteien und Politiker im Detail entscheiden. Gehandelt werden muss in jedem Fall.
Eine steuerliche Begünstigung von Produkten und Dienstleistungen in klimaneutraler und fair gehandelter Qualität würde auch bei Menschen mittleren und höheren Einkommens die Akzeptanz erhöhen.

Das Fazit ist, dass das Erreichen der gesteckten und notwendigen Klimaziele ohne eine wesentliche und substanzielle Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen des Bevölkerungsdrittels mit niedrigem Einkommen und somit der Herstellung eines spürbaren Maßes an Sozialer Gerechtigkeit nicht möglich erscheint.

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Quellen und Verweise:
[1]   Übereinkommen vom 12. Dezember 2015 auf der UN-Klimakonferenz in Paris (COP 21)
       von allen Vertragsparteien der UNFCCC
[2]   Koalitionsvertrag "Mehr Fortschritt wagen" von SPD, Bündnin90/DIE GRÜNEN und FDP
[3]   Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena): Wer verbraucht in Deutschland die meiste
       Energie*? (* Endenergie); Energiedaten BMWI 2008
[4]   Statistisches Bundesamt,. www.destastis.de
[5]   wikipedia: "Regelbedarf", Regelbedarf-Ermittlungsgesetz (RBEG)Einkommens- und
       Verbrauchsstichprobe (EVS)
 
[6]   www.deutschlandinzahlen.de, Institut der deutschen Wirtschaft Köln Medien GmbH
[7]   www.statista.com, Einstufung in Arm und Reich für Singles und Paare, 2022
[8]   wikipedia: Deutschland, Stand:30.Juni 2021
[9]   verschiedene Quellen